Stellungnahme vom Bundesfamilienministerium vom 26. 11. 01 :
Sehr geehrter Herr Graner,
vielen Dank für Ihre o.a. E-Mail.
Der sexuelle Missbrauch von Kindern ist für die Opfer mit schwerwiegenden
psychischen und physischen Folgen verbunden und führt oft zu verheerenden
und lebenslang traumatisierenden Schäden. Kinder sind darauf angewiesen,
dass Staat und Gesellschaft alles in ihren Kräften Stehende unternehmen, um
sie vor sexuellen Übergriffen wirksam zu schützen. Kinder haben Anspruch auf
Schutz vor jeder Form von sexuellem Missbrauch und Gewalt. Dieser Anspruch
richtet sich nicht nur gegen den Staat und seine Organe, gegen Polizei und
Justiz, gegen Jugendämter und professionell Helfende. Mindestens ebenso
wichtig für die Gewährleistung eines umfassenden Schutzes ist, dass all
diejenigen, die im persönlichen Nahbereich der Kinder leben bzw. tätig sind,
Hilferufe wahrnehmen und bereit und in der Lage sind, die notwendige Hilfe
sicherzustellen.
Die in der Öffentlichkeit und in Fachkreisen geführte Diskussion über das
Problem des sexuellen Missbrauchs von Kindern und über Möglichkeiten zur
Verbesserung des Schutzes von Kindern hat einen dringenden Handlungsbedarf
aufgezeigt. Im Vordergrund steht die Verbesserung der Hilfs- und
Beratungsangebote für die Opfer sowie der Therapieangebote für die Täter
insbesondere die Verstärkung des Präventionsbereiches.
Auch der Weltkongress gegen die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern
in Stockholm im August 1996 und die dazu im März 2001 stattgefundene
Nationale Nachfolgekonferenz in Berlin hat dieses Ergebnis bestätigt. Das
Arbeitsprogramm ist durch einen Bericht über die weiteren
Umsetzungsmaßnahmen mit Stand Januar 2001 ergänzt worden, den ich Ihnen in
der Annahme Ihres Interesses diesem Schreiben beifüge.
Die hierin zu ersehenden Maßnahmen flankieren eine Vielzahl an Maßnahmen der
Bundesregierung in der Legislativen:
* Bereits am 1. September 1993 ist das 27. Strafrechtsänderungsgesetz
in Kraft getreten, welches die Strafen für die Herstellung und Verbreitung
von Kinderpornographie durch die Erhöhung des Strafrahmens auf fünf Jahre
verschärft und den Besitz und das Beschaffen kinderpornographischer
Darstellungen unter Strafe stellt.
* Ebenfalls seit dem 1. September 1993 können Deutsche, die im Ausland
ein Kind sexuell missbraucht haben, auch dann in Deutschland strafrechtlich
zur Verantwortung gezogen werden, wenn die Tat im Land des Tatortes nicht
mit Strafe bedroht ist.
* Im Rahmen der Bemühungen um einen möglichst umfassenden Schutz der
Bevölkerung vor Sexualstraftätern hat das Bundesministerium der Justiz
bestehende Strafrahmen auf die Notwendigkeit der Anpassung an ein neues
Werteverständnis geprüft. Ergebnis dieser Prüfung ist u.a. das am 14.11.1997
vom Deutschen Bundestag verabschiedete und am 01.04.1998 in Kraft getretene
Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts. Es sieht - unter anderem - für
den sexuellen Missbrauch von Kindern (§ 176 des Strafgesetzbuches) und die
Verbreitung kinderpornographischer Schriften (§ 184 Absatz 3, 4 des
Strafgesetzbuches) eine schärfere strafrechtliche Bewertung und ein
bedeutend höheres Strafmaß vor. Darüber hinaus können Täter mit lebenslanger
Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter 10 Jahren bestraft werden,
wenn sie durch den sexuellen Missbrauch leichtfertig den Tod des Kindes
verursacht haben.
* Ein weiteres wichtiges, am 31.01.1998 in Kraft getretenes Gesetz
betrifft die sozialtherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten von
Sexualstraftätern im Strafvollzug und Sicherungsmaßnahmen gegen rückfällige
Täter. Durch die vorgesehenen Änderungen im Strafrecht und im
Strafvollzugsrecht werden Gerichten und Strafvollzugsbehörden neue und
flexiblere Möglichkeiten eröffnet, um den Schutz der Allgemeinheit
insbesondere vor gefährlichen Sexualstraftätern zu gewährleisten. So werden
z.B. die Therapiemöglichkeiten für behandelbare Straftäter erweitert und die
Möglichkeiten verstärkt, solche Täter während des Strafvollzuges in eine
sozialtherapeutische Anstalt einzuweisen. Außerdem schreibt das Gesetz vor,
dass im Interesse eines wirksamen Schutzes der Bevölkerung vor Rückfalltaten
das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit und das Gewicht des bei einem
Rückfall bedrohten Rechtsgutes bei der Entscheidung, ob der Strafrest zur
Bewährung ausgesetzt werden kann, zu berücksichtigen sind.
- Über die Verschärfungen des Strafrechts und die bereits durchgeführten
Maßnahmen zur Ver-
besserung des Opferschutzes hinaus hat die Bundesregierung eine sog.
Gen-Datei eingerichtet,
in der alle wesentlichen polizeilichen Ermittlungen und Erkenntnisse von
Sexualstraftätern zu de-
ren Lebzeiten aufbewahrt werden.
Weitere Einzelheiten zu den Gesetzen und den durchgeführten Maßnahmen können
Sie dem beigefügten Addendum zum Arbeitsprogramm der Bundesregierung
entnehmen.
Die Bundesregierung prüft darüber hinaus laufend das Sexualstrafrecht auf
weiteren Reformbedarf.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
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Gudrun Werres
Bundesministerium für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Referat 506
Kinder- und Jugendschutz, Medienkompetenz;
Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs
Rochusstraße 8 - 10, 53123 Bonn
Tel: 0228/930-2758 Fax: 0228/930-4988
e-mail: gudrun.werres@bmfsfj.bund.de
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((ADDENDUM-neu-2001.htm))